Wie der Wind die Wellen formt
Einem internationalen Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Hereon ist es erstmals gelungen, die komplexe Strömungsdynamik direkt über der Meeresoberfläche hochaufgelöst sichtbar und quantifizierbar zu machen. Mit einem innovativen Lasermesssystem konnten bisher unbekannte und hochkomplexe Mechanismen des Energieaustauschs zwischen Wind und Wellen entschlüsselt werden – ein wichtiger Schritt für Klimaforschung, Wettermodelle und Ozeandynamik. Die Forschungsergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
Messungen im Pazifik

Auf der Forschungsplattform FLIP (FLoating Instrument Platform) im Pazifischen Ozean haben die Forschenden ihre Messungen unternommen. Foto: Marc Buckley
Das internationale Team unter der Leitung von Dr. Marc Buckley vom Hereon-Institut für Dynamik der Küstenmeere hat damit einen Durchbruch bei der hochaufgelösten Bildgebung zur Ozeanoberfläche erzielt. Mit dem entwickelten Lasermesssystem an Bord der Forschungsplattform FLIP (FLoating Instrument Platform) im Pazifischen Ozean gelang es, hochauflösende Bilder der Luftströmung von wenigen Millimetern bis zu einem Meter über der Meeresoberfläche zu erzielen. Sie erkannten zwei Wind-Wellen-Kopplungsmechanismen, die gleichzeitig auftreten, aber unterschiedlich wirken.
Kurze Wellen mit einer Länge von etwa einem Meter bewegen sich langsamer als der Wind. Dies führt zu einer Trennung des Luftstroms: Der Wellenkamm schirmt den Wind ab, wodurch ein Druckunterschied entsteht, der Energie auf die Welle überträgt. Lange Wellen hingegen - mit Längen von bis zu 100 Metern - bewegen sich schneller als der Wind und erzeugen mit der Bewegung andere Strömungsmuster in der Luft. Die Mechanismen wirken gleichzeitig in unterschiedlichen Bereichen des Wellengangs - eine entscheidende Erkenntnis für die Weiterentwicklung von atmosphärischen und ozeanischen Modellen.
Relevanz für Wetter, Klima und Marine Biochemie

Die Forschenden arbeiteten mit einem grünen Laser, der Luft und Wasser durchschneidet und dabei Strömungen sichtbar macht. Foto: Marc Buckley
Die Wechselwirkungen zwischen Wind und Wellen sind eine zentrale Komponente des Klima- und Wettersystems der Erde. Es ist zwar weitgehend anerkannt, dass diese komplexen Wechselwirkungen den Austausch von Energie, Wärme und Treibhausgasen zwischen der Atmosphäre und dem Ozean steuern und damit den Seegang, das Wetter und die Strömungen beeinflussen, aber die Mechanismen sind bis heute weitgehend unbekannt. Das Forscherteam plant, das System weiterzuentwickeln, um auch die Bewegungen unter der Wasseroberfläche mit größerer Präzision zu erfassen. „Bislang hat noch niemand die Luftströmung so nahe an der Meeresoberfläche gemessen, geschweige denn die Mechanismen des Energieaustauschs auf einer so feinen Skala kartiert“, sagt Erstautor Buckley. „Unsere Beobachtungen werfen ein Licht auf eine physikalische Grenze. Dies wird es uns ermöglichen, den theoretischen Rahmen zu erweitern und genauere Beschreibungen von Luft-Meer-Austauschprozessen zu entwickeln, die bisher nur teilweise verstanden wurden."
Das jeweilige Bild basiert auf einem Laser, der sowohl Luft als auch Wasser durchschneidet: Der grüne Strahl trifft auf Wassertröpfchen, die in die Luft eingebracht werden - ähnlich wie Nebel, der vom Sonnenlicht angestrahlt wird. Die Tröpfchen folgen der Bewegung des Luftstroms, streuen das Laserlicht und machen so selbst kleinste Bewegungen in der Luft sichtbar.
Zugleich durchdringt der Laser auch die Wasseroberfläche. An der vom Wind getriebenen Oberfläche wird das Licht gebrochen - und lässt deren Struktur erkennen. Diese Kombination macht sowohl die Luft- als auch die Wasserseite sichtbar. Die Methode basiert auf der Particle Image Velocimetry (PIV), einer etablierten Technik in der Strömungsdynamik. Mit PIV lassen sich präzise Informationen über den Strömungsaufbau und die Windgeschwindigkeiten gewinnen. Das Verfahren wurde erstmals über dem offenen Meer eingesetzt.
Spitzenforschung für eine Welt im Wandel
Das Ziel der Wissenschaft am Helmholtz-Zentrum Hereon ist der Erhalt einer lebenswerten Welt. Dafür erzeugen rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wissen und erforschen neue Technologien für mehr Resilienz und Nachhaltigkeit – zum Wohle von Klima, Küste und Mensch. Der Weg von der Idee zur Innovation führt über ein kontinuierliches Wechselspiel zwischen Experimentalstudien, Modellierungen und künstlicher Intelligenz bis hin zu Digitalen Zwillingen, die die vielfältigen Parameter von Klima und Küste oder der Biologie des Menschen im Rechner abbilden. Damit wird interdisziplinär der Bogen vom grundlegenden wissenschaftlichen Verständnis komplexer Systeme hin zu Szenarien und praxisnahen Anwendungen geschlagen. Als aktives Mitglied in nationalen und internationalen Forschungsnetzwerken und im Verbund der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt das Hereon mit dem Transfer der gewonnenen Expertise Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft.
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